Noch nicht mal betrunken

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Silvester 1999/2000. Jahrtausendwende. Es sollte die Party meines Lebens werden. Es wurde ein Riesenreinfall. Der Gastgeber zelebrierte just an dem Abend eine handfeste Beziehungskrise. Fast alle hatten mitbekommen, dass dort dicke Luft war und hatten sich kurzfristig umorientiert. Nur ich und ein paar andere traurige Gestalten rannten ins Verderben. Wir kamen als Freunde und gingen als Fremde

Warum ich das erzähle? Irgendwie erinnert mich das Heimspiel gegen Aue an diesen Tag. Ich kam, um zu feiern und blieb, um zu leiden. Ich war so sicher gewesen, ein rauschendes Fußballfest zu erleben. Nach dem Fest gegen München 60 und dem souveränen Auswärtserfolg vom KSC traute ich den Erzgebirglern wirklich nicht zu, den magischen FC zu stoppen. Aber irgendwas stimmte nicht. Bis zu Hells Bells war noch tolle Stimmung in der Kurve, danach war alles irgendwie in Moll. Gerade die Nordsitzer hatten nicht ihren besten Tag. Kaum ein Einsatz auf Gesänge von den Stehplätzen kam mal richtig, und wenn klang es nach Moll. Bestes Zeichen: Gelegentlich konnte man in N2 sogar den Auer Anhang hören.


Vielleicht hatte der  eine oder andere auch anderes im Kopf: Tapeten wiesen auf eine Demo gegen die zynische Politik des Bezirksamtschefs Schreiber nach Spielende hin;  Freunde von mir Protestierten gegen Fußballgewalt – wieder einmal war ein St. Paulianer am Vorwochenende auf dem Weg zum True Old Firm von HSV-Schlägern angegriffen wurden.

Wichtige Themen. Mein Spielvergnügen wurde dagegen durch ein Grüppchen direkt vor mir getrübt, das sich  - getrieben von Bierdurst und Inkontinenz – auf permanenter Wanderschaft zwischen Kurve und Umlauf befand. Für den Support war da natürlich keine Zeit…. Das 1:0 durch Ebbers hellte meine Stimmung vorübergehend auf. Aber nicht lange. Aue war an diesem Tag das bessere St. Pauli. Will sagen: die spielerisch eigentlich unterlegenen Gäste hielten kämpferisch gut dagegen, wie wir es eigentlich von unserer Mannschaft kennen. Die hingegen kam nicht richtig aus dem Quark und wurde auch noch durch krankheits- bzw. verletzungsbedingte Ausfälle von Schachten und Sobiech in der Abwehr enorm geschwächt. Drei Gegentore auf unsere Kurve – so langsam stiegen Erinnerungen an das letzte  Bayern-Spiel auf. Das 2:3 interessierte irgendwie nicht mehr so richtig. Die Fans hatten das Spiel mit einem wehmütigen YNWA schon nach 88. Minuten aufgegeben.

Viele Gesichter aus der Nordkurve sah man auf der Anti-Schreiber-Demo wieder. Der Anblick des fiesen Zauns an der Helgoländer Allee, mit dem Schreiber und seine Schergen Obdachlose von dort verscheuchen wollen, konnte mich auch nicht aufmuntern. Und im Gegensatz zur entgleisten Milleniumsfete war ich noch nicht einmal betrunken.

 

 

   
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